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Bergsdorf an einem warmen Maientag
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- Veröffentlicht: Montag, 12. Januar 2015 16:40
Liebe Gäste und Freundinnen der Kunst
Also ich bin EU-Skeptiker und gehe trotzdem zur Wahl. Aber schon am Gründungsmythos habe ich große Zweifel. Es erscheint mir eher unwahrscheinlich, dass eine phönizische Königstochter auf dem Rücken eines Stieres von Afrika nach Europa schwamm, auch damals gab es schon Boote. Seitdem sind viele Jahre ins Land gegangen und die Einigung kam voran. Wir können jetzt ohne Pass und Zollschranken durch Europa reisen und uns in allen Ländern wie zu Hause fühlen, weil wir von Grönland bis Sizilien überall einen Aldi finden, wo wir unseren gewohnten Käse kaufen können.
Aber wie das so ist, es wir nur gemeckert, weil die EU uns immer neue Vorschriften machen will. Da regen sich die Leute darüber auf, dass für Gurken und Radieschen die Euronorm eingeführt wurde. Ja, aber man muss doch irgendwie sicherstellen, dass die Gurken und Radieschen von Grönland bis Sizilien in dieselben Kästen passen. Und die Norm wurde doch nur zum Schutze des Verbrauchers eingeführt. Der könnte sich ja schließlich verletzen, wenn plötzlich eckige Radieschen auf dem Markt wären.
Und wenn man vor vierzig Jahren schon eine Euronorm für Gemälde und Kunstexpertisen eingeführt hätte, hätte Wolfgang Beltracchi nicht vier Jahrzehnte lang den Kunstmarkt mit gefälschten Bildern fluten können. Und wenn für echte Expertisen von echten Experten schon Euro-Mindeststandards gegolten hätten, hätte ein Max Ernst Spezialist keine 400.000 Euro für ein nicht ganz echtes Gutachten verlangen können.
Wie dem auch sei. Wolfgang und Helene Beltracchi lesen am Samstag, den 31. Mai in unserer Scheune aus ihrem neuen Buch „Die Kunst der Fälschung“. Und wer möchte beim Lesen nicht gern mit ihrem Leben tauschen? Dem bigotten Kunstmarkt eine Nase drehen, auf einem Amsterdamer Hausboot leben, mit dem Wohnmobil in Asien abhängen und den französischen Wein von der eigenen Propriété viticole dekantieren. Die beiden werden über die Höhen und Tiefen ihres Lebens berichten. Wir hingegen können dabei viel über die Macher im Kunsthandel und den Wert eines Kunstwerks lernen.